Anlagenbuchhaltung: Definition, Aufgaben & Beispiele

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Anlagenbuchhaltung: Definition, Aufgaben & Beispiele

Eine separate Abteilung für die Anlagenbuchhaltung findest du in vielen größeren Unternehmen. Sie beschäftigt sich mit der Verwaltung und Bewertung der Vermögensgegenstände des Anlagevermögens. Ihre Aufgaben sind vielseitig, besonders in Branchen und Unternehmen mit einem umfangreichen Bestand an hochwertigen und langlebigen Wirtschaftsgütern kommt ihr daher auch eine große Bedeutung zu.

Die Definition des Begriffes Anlagenbuchhaltung

Die Anlagenbuchhaltung ist der Teil der Finanzbuchhaltung, der sich um die materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens kümmert. Dieses wird auch als Betriebsvermögen bezeichnet. Hierzu zählen also alle Wirtschaftsgüter, die dem Unternehmen längerfristig dienen und es ihm ermöglichen, dem Zweck des Betriebs nachzukommen. Alle Gegenstände, die erworben werden und dann länger als ein Jahr für die Erzielung der Umsätze genutzt werden, zählen also dazu. Traditionell übernimmt die Anlagenbuchhaltung in anlageintensiven Branchen wie dem Maschinen- und Anlagenbau, dem Bergbau oder auch dem Bauwesen eine größere Rolle ein als im Handel oder im Dienstleistungsgewerbe. Auch die Organisation der Anlagenbuchhaltung ist danach ausgerichtet. In kleinen und mittleren Betrieben werden ihre Aufgaben oft von der Finanzbuchhaltung mit übernommen. In größeren und auch in anlagenintensiven Unternehmen dagegen gibt es speziell geschulte Anlagenbuchhalter oder sogar auch separate Abteilungen. Früher waren diese noch weiter verbreitet, mit zunehmender Digitalisierung übernehmen moderne Computerprogramme einen Teil der Funktionen des Anlagenbuchhalters.

Die Aufgaben der Anlagenbuchhaltung

Die zwei wesentlichen Funktionen der Anlagenbuchhaltung sind die Bestandserfassung der Gegenstände des Sachanlagevermögens und die Verbuchung ihres Verbrauchs. Wirtschaftsgüter nutzen sich ab, sie veralten technisch und verlieren somit an Wert. Diese Abnutzung wird als Verbrauch angesehen, in der Buchhaltung werden sie durch regelmäßige Abschreibungen (auch als Absetzung für Abnutzung AfA bezeichnet) verbucht. Die ermittelten Bestandswerte werden in der Bilanz eines Unternehmens ausgewiesen und beeinflussen somit den Gesamtwert des Betriebes entscheidend. Abschreibungen wiederum fließen als verbuchter Aufwand in die Gewinn- und Verlustrechnung der Wirtschaftsperiode ein. Damit wirken sie sich auf das jährliche Ergebnis des Unternehmens und auf seine Steuerbelastung aus. Anlagenbuchhalter arbeiten daher eng mit der Geschäftsführung und dem Controlling zusammen. Die von ihnen gelieferten Informationen und Kennzahlen leisten einen großen Beitrag für die mittel- und langfristige Planung des Betriebes und bilden die Basis für grundlegende strategische Entscheidungen.

Die Aufgaben der Anlagenbuchhaltung an Beispielen leicht erklärt

Ein großes Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus in Deutschland vertreibt seine Produkte weltweit. An mehreren Betriebsstandorten beschäftigt es über 1.000 Mitarbeiter. Als anlagenintensives Unternehmen unterhält der Maschinenbauer am Hauptsitz der Firma eine Abteilung Anlagenbuchhaltung. Ihre Aufgaben sind vielseitig:

1. Die Erfassung der Sachanlagengegenstände

Traditionell werden die Gegenstände des Sachanlagevermögens in einer Anlagenkartei erfasst. Früher wurde sie auf Karteikarten geführt, heute wird moderne Software genutzt. Damit sind die einmal erfassten Stammdaten jeder Anlage für verschiedene berechtigte User nutzbar. Das erleichtert die Arbeit. Erfasst werden in der Regel:

InformationBeispiel
BezeichnungDMG Mori CLX 350
AnlagengruppeDrehmaschine Universal
TypennummerCLX 350 V6
Seriennummer123456
HerstellerDMG Mori AG, Bielefeld
Anschaffungsdatum01. Mai 2019
Einsatz-BetriebstätteBerlin

Die Anforderungen an die Datenerfassung definiert jedes Unternehmen individuell. Je mehr Informationen gespeichert werden, desto besser lassen sich Erkenntnisse unter verschiedenen Aspekten ablesen. Grundlage dafür sind die Einkaufsunterlagen der Wirtschaftsgüter sowie die technischen Datenblätter.

2. Die Ermittlung der Anschaffungskosten

Grundlage für die jährliche Wertermittlung der Gegenstände des Sachanlagevermögens ist ihr Ausgangswert, also ihre Anschaffungskosten. Darunter versteht man nicht nur den Einkaufspreis. Alle Kosten, die benötigt werden, um ein Wirtschaftsgut in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, zählen dazu:

  • der Einkaufspreis
  • die Transportkosten
  • eine Fundamenterrichtung oder -verstärkung
  • die Kosten für den elektrischen Anschluss
  • Spezialvorrichtungen wie eine speziell angefertigte Werkzeugaufnahme
  • Hilfs- und Betriebsstoffe (z.B. Hydrauliköl) für die Erstbefüllung

In diese Berechnung werden nicht nur die Kosten mit einbezogen, die dritte Unternehmen in Rechnung stellen. Auch betriebseigener Aufwand durch eigene Mitarbeiter und bereits eingekauftes Material darf berücksichtigt werden. Die Anschaffungskosten liegen somit deutlich über dem reinen Kaufpreis:

DMG Mori CLX 350 Einkaufspreis laut Rechnung: 800.000 €

Transportkosten: 15.000 €

Fundamentverstärkung Halle: 13.000 €

Spezialwerkzeuge: 20.000 €

Weitere Anschaffungskosten: 10.000 €

Eigenleistungen: 42.000 €

Anschaffungskosten: 900.000 €

3. Ermittlung der voraussichtlichen Nutzungsdauer und der regulären Abschreibung

Unternehmen dürfen nicht frei entscheiden, über welche Dauer sie ihre genutzten Betriebsmittel abschreiben. Der Verbrauch der Wirtschaftsgüter muss über die voraussichtliche Nutzungsdauer erfolgen. Das deutsche Bundesfinanzministerium veröffentlicht regelmäßig AfA-Listen, in denen es die Abschreibungsdauer für die verschiedenen Vermögensgegenstände festlegt:

Ausschnitt aus der allgemeinen AfA-Liste, geltend für alle Wirtschaftszweige:

5 Bearbeitungsmaschinen und Verarbeitungsmaschinen

5.6 Drehbänke 16 (Jahre Nutzungsdauer)

Als Hersteller im Maschinenbau kann das Unternehmen jedoch eine spezielle AfA-Liste nutzen.

Die AfA-Liste für den Bereich Maschinenbau:

1. Spanende Werkzeugmaschine

1.1 Drehmaschinen / Drehautomaten

1.1.1 Horizontal-Drehmaschine

1.1.1.1 mit CNC-/NC 6 (Jahre Nutzungdauer)

Diese voraussichtliche Nutzungsdauer bildet die Grundlage für die Abschreibung in der Finanzbuchhaltung. Sie wird in der Anlagenkartei festgehalten. Ausnahmen davon sind nur mit guten Begründungen erlaubt.

Aufgrund der derzeitigen gesetzlichen Regeln ist nur eine lineare Abschreibung der Anschaffungskosten möglich. Würde auch die degressive – also sich verändernde – Abschreibung wieder erlaubt sein, würde die Anlagenbuchhaltung durch einen rechnerischen Vergleich die günstigste Variante ermitteln und anwenden. Aktuell dürfen buchhalterisch jedoch in jedem Jahr 16,67 Prozent dieser Kosten als gewinnmindernder Aufwand verbucht werden:

Jährliche Abschreibung = Anschaffungskosten * 16,67 Prozent

= 900.000 € * 16,67 % = 150.030 €

Die Kosten- und Leistungsrechnung, also das interne Rechnungswesen des Unternehmens, kann auch mit höheren Abschreibungsraten rechnen. Wenn die Verantwortlichen einschätzen, dass die Maschine über acht Jahre genutzt werden kann, dann würde die Abschreibungsrate bei 12,5 Prozent liegen. Da dieser Wert dann vor allem zur Preiskalkulation der Produkte herangezogen wird, bezeichnen die Kostenrechner diese AfA als kalkulatorische Abschreibung. Sie beträgt hier 112.500 €.

4. Die Wertfortschreibung und die jährliche Wertermittlung

Gegenstände des Anlagevermögens müssen mit ihrem tatsächlichen Wert in der Bilanz ausgewiesen werden. Kein Unternehmen darf sich reicher rechnen, als es wirklich ist. Die Anlagenkartei dient den Anlagenbuchhaltern auch für die Erfassung der Wertfortschreibung der Anlagegüter:

DMG Mori CLX 350 Wertermittlung zum 31.12.2020

Anschaffungskosten: 900.000 €

Jährliche Abschreibung: 105.030 €

Abschreibung zum 31.12.2019 (anteilig für 8 Monate): 100.020 €

Buchwert am 31.12.2019: 799.980 €

Abschreibung 2020: 105.030 €

Buchwert am 31.12.2020: 694.950 €

Diese lineare Abschreibung setzt sich dann fort. Im 6. Jahr der Nutzung wird dann bis auf einen Erinnerungswert von 1 Euro abgeschrieben.

Die Anlagenbuchhaltung beschäftigt sich jedoch auch mit unvorhergesehenen Ereignissen. Wird ein Vermögensgegenstand derart beschädigt, dass zum Bilanzstichtag der Buchwert bei einem Verkauf nicht mehr erzielt werden könnte, dann darf eine Sonderabschreibung vorgenommen werden. Das gilt auch für den Fall, dass er ausgesondert („verschrottet“) werden muss. Auch Zuschreibungen könnte es im Lebenslauf eines Anlagengutes geben. So würde die Nachrüstung eines Stangenladers (das ist eine Vorrichtung, mit der Material in Stangenform automatisch zugeführt werden kann) an der Drehmaschine im Wert von 70.000 € zu einer nachträglichen Erhöhung der Anschaffungskosten führen. Die Buchhalter würden eine Zuschreibung verbuchen und die Höhe der jährlichen Abschreibung anpassen.

Bei einem Verkauf eines Wirtschaftsgutes aus dem Anlagevermögen ermitteln die Anlagenbuchhalter den Buchwert zum Verkaufstag. Eine sich ergebene Differenz zum tatsächlich erzielten Wert wird dann als Gewinn oder Verlust aus Anlagenverkauf buchhalterisch erfasst.

5. Durchführung von Wirtschaftlichkeitsberechnungen verschiedener Anlagen

Die Erfahrung der Anlagenbuchhaltung nutzt das Management auch für die Berechnung von Wirtschaftlichkeiten und den Vergleich verschiedener Varianten von Betriebsmitteln. Bei dem Maschinenhersteller prüft die Anlagenbuchhaltung zum Beispiel den Ersatz der Drehmaschine durch ein Nachfolgemodell, nachdem nach einem Brandschaden die Maschine im dritten Jahr der Nutzungsdauer verschrottet werden musste. Den Zeitwert hat eine Versicherung ausgeglichen. Es geht nun um die Frage, ob die Maschine, die am Markt noch erhältlich ist, erneut erworben wird oder ob eine leistungsfähigere Variante gekauft wird:

Variante 1

Anschaffungskosten DMG Mori CLX 350: inzwischen 950.000 €

In der KLR ermittelter Maschinenstundensatz: 65,00 €

Möglicher Output je Monat in der Serienfertigung: 2.000 Stück

Variante 2

Anschaffungskosten DMG Mori CLX 450: 1.050.000 €

In der KLR ermittelter Maschinenstundensatz: 60,00 €

Möglicher Output je Monat in der Serienfertigung: 3.000 Stück

Wenn die Auftragslage des Unternehmens es zulässt – die neue Drehmaschine also mit einer höheren Stückzahl tatsächlich ausgelastet ist – dann würde sich das Management sicher für die Variante 2 entscheiden, da sie wirtschaftlicher ist.

Anlagenbuchhalter sind Spezialisten im Bereich des Rechnungswesens. Sie benötigen neben sehr guten Buchhaltungskenntnissen und einer hohen Affinität zu Zahlen auch ein ausgeprägtes technisches Verständnis. Eine selbständige und genaue Arbeitsweise runden das Anforderungsprofil ab. Grundlage ist eine kaufmännische Ausbildung oder ein Studium im Bereich Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Rechnungswesen. Mit Fortbildungen und durch mehrere Jahre Berufspraxis können dann die vielseitigen Aufgaben in der Anlagenbuchhaltung sehr gut gemeistert werden.